Zwischen Posaune und Kulturpolitik: Janning Trumann über das notwendige Vertrauen in eine neue Generation


Janning Trumann, geboren 1990, ist Jazz-Musiker (Posaune, Komposition, Orchesterleitung). 
Von 2010 bis 2014 studierte er an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz Jazz-Posaune, sein Konzertexamen gestaltete er in Form eines kleinen Festivals. Er ist Mitbegründer des Subway Jazz Orchestra und leitet diverse eigene Ensembles, u.a. „Trillmann“, „Makkro“, „JT4“ und sein „New York Quartet“. Derzeit kuratiert er im Stadtgarten und LOFT das Konzertformat „Seasons“ um Begegnungen mit renommierten Musikern aus Oslo, New York, Berlin und London. Als engagierter Aktivposten der Kölner Szene entwickelte er das Projekt „JazzStadt Köln“ mit und bildet mit Theresia Philipp und Benedikt Müller den Vorstand der Kölner Jazzkonferenz e.V. Darüber hinaus wurde er 2018 als Musikbeirat Jazz berufen.

Seit einigen Jahren gehören Sie als Posaunist zu jenen, die den jungen Jazz in Köln prägen. Aktuell ist das Quartett Trillmann Ihre vorrangige Band.

Es gibt pro Spielzeit stets mehrere Projekte, von denen einige dann stärker im Vordergrund stehen. Bei Trillmann  sind wir vier gleichberechtigte Bandleader, und jeder unternimmt etwas dafür, dass wir auftreten können. Dadurch fließt viel Energie ins Quartett.

Wie hält man eine solche Energie aufrecht?

Ich bin ein Freund von Strukturen, in denen man sich ausbreiten kann und die zusammen entwickelt werden. Oft trifft man bei Proben zusammen, weiß noch nicht, was dann passieren wird und reagiert spontan auf die Mitmusiker. Das produziert viel Energie, die es für meine Generation so spannend macht miteinander zu spielen.

In Köln begegnen sich junge musikalisch Gleichgesinnte mit beeindruckender Kompetenz, sie arbeiten gemeinschaftlich, kooperativ und in Netzwerken.

Es ist eine besondere Qualität, dass man hier so gut miteinander arbeiten kann. Das ist auch ein Verdienst der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Wenn ich an Tamara Lukasheva, Dominik Mahnig, Fabian Arends, David Helm, Theresia Philipp oder an mich denke: Wir sind ein Jahrgang, haben alle 2010 angefangen zu studieren. Und natürlich sind wir jungen Musikerinnen und Musiker viel in Kontakt, wir spielen miteinander und treffen uns in den zentralen Spielorten in der Stadt.

Die Hochschule hat also auch Einfluss darauf, dass man miteinander umgeht?

Ja, meine Lehrer waren entscheidend für mich, vorrangig Dieter Manderscheid, Henning Berg und Joachim Ulrich. Der Studiengang Jazz und Popularmusik wird mit großer Eleganz geleitet, wobei es gar nicht erst dazu kommt, dass man die Ellenbogen ausfahren muss. Es ist eine ruhige, sachliche Art, miteinander umzugehen, die auf Respekt beruht. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass man seine Rolle findet.

Bis man sich dann irgendwann im öffentlichem Raum wiederfindet...

... und hier werden wir als Jazz-Szene wahrgenommen, auch von Politik und Verwaltung, vor allem dank wichtiger Spielstätten wie dem Stadtgarten oder dem LOFT. Längst ist die Jazz-Szene in der Stadt auch kulturpolitisch engagiert und tut viel dafür, dass sie gut sichtbar wird. So haben wir letztes Jahr mit der Kölner Jazzkonferenz die Jazzstadt Kampagne ins Leben gerufen. Aktuell müssen wir uns damit befassen, ein neues Publikum aufzubauen, das experimentierfreudig ist und regelmäßig unsere Konzerte besucht. Der aktuelle ästhetische Anspruch unserer jungen Generation ist nun mal anders als der, den einige „ältere“ Konzertgänger erwarten und für einzig richtig erachten, der aber vielleicht vor 20 oder 30 Jahren mal mehr in Mode war. 

Also eine Frage der Offenheit und Neugierde gegenüber dem Neuen? 

Wir sind jung, bauen unser eigenes Publikum auf, so seit sechs Jahren mit der Reihe fürs Subway Jazz Orchestra. Im Subway ist es fast jedes Mal voll, auch wenn wir nicht viel Werbung machen. Wir haben das geschafft, weil wir komplett unser eigenes Ding machen konnten. Aber das ist etwas, an dem wir noch arbeiten müssen: dass wir auch Konzepte gemeinsam mit den Veranstaltern und  Spielstätten entwickeln, die nicht unsere junge Sprache sprechen, Veränderungen aber anerkennen und ein Risiko eingehen. Heute wird anders kommuniziert, nicht nur unter Musikern. Ein junges Publikum geht nicht nur in ein Konzert, sondern zu einem Event, wobei es auch den Sinn dahinter verstehen möchte.

So bilden musikalisch hochkarätige Individualisten Strategien aus, besetzen Schnittstellen…

Vor allem in der Kölner Jazzkonferenz als politische Interessenvertretung der Jazz-Szene, einer Mischung aus allen Initiativen, die in Köln existieren. Ich halte als Vereinsvorsitzender mit nahezu allen Kontakt, besetze also tatsächlich eine Schnittstelle. Diese Kommunikation miteinander ist sehr wichtig, denn wir alle müssen gemeinsam etwas für unsere Musik tun. Am Ende müssen wir ja alle auf der Bühne stehen und wollen etwas bewirken. 

Die Bandbreite der Musikstile in Köln ist enorm.

Irgendwie machen wir alle Jazz als eine Musik, die energetisch ist, egal ob Straight Ahead, Modern Mainstream, Free Jazz oder was auch immer. Die Vielfalt der Stile und Stilrichtungen ist enorm, und wer nur eine Sache haben will, der kriegt das nicht. Alle suchen nach ihrem Weg, sich individuell auszudrücken, das ist das Spannende daran. Unsere Musik steht für Entwicklungen, und dafür ist die Bezeichnung „Jazz“ immer noch das beste Wort, ob es nun zeitgenössischer Jazz, Avantgarde, New Electro, Indie-Pop oder Free Impro ist. 

Hat eine solche Vielfalt die Chance auf finanzielle Unterstützung?

Die Entwicklung ist positiv. Es entstehen gerade wieder neue Fördermöglichkeiten, sowohl in der Stadt als auch im Land, teils auch beim Bund. Für uns ist zuallererst die Stadt als kommunaler Partner wichtig. Der Stadtgarten hat als Europäisches Zentrum für Jazz und aktuelle Musik eine deutliche Aufwertung erfahren, aber die städtischen Projektmittel sind seit einigen Jahren nicht mehr gestiegen. Wir brauchen allerdings einen deutlich stärkeren Zuschuss, ebenso innovative Ideen aus der Stadt heraus. In dieser Hinsicht kommunizieren wir viel, und es wird auch etwas passieren, aber unser stärkerer Partner ist im Moment noch das Land. Dank der Ensembleförderung können sich erstmals freie Ensembles über einen längeren Zeitraum entwickeln, auch das Subway Jazz Orchester bekommt ab Herbst eine Förderung für drei Jahre, das bewirkt etwas. Im Herbst geht es dann los mit der Exzellenzförderung im Stadtgarten für vielversprechende Musikerinnen und Musiker aus der Jazz-Szene, das bringt Planungssicherheit.

Weniger positiv scheinen die aktuellen Entwicklungen im Hörfunk, einem doch so wichtigen Partner der Szene.

Ich persönlich bin mit WDR 3 Radio Kultur nie sonderlich warm geworden, werde es interessanterweise gerade erst jetzt. Durch den Umbruch im WDR sehe ich Chancen, nicht nur für eine andere Art der Musikpräsentation. Die Veränderungen sind gewiss mit Vorsicht zu genießen, sind aber spannend, weil man mit dem WDR auf eine neue Art zusammenarbeiten könnte und wir Musiker uns überlegen, wie wir uns da einbringen wollen. Ich hoffe sehr, dass wir diesen interessanten Prozess gemeinsam gehen. Der Deutschlandfunk dagegen ist immer noch der größte Förderer von Jazz aus Köln, der dortige Sendeplatz ist für unsere Musik Gold wert. Den WDR kenne ich nicht aus seiner Zeit als Förderer, zwar als Arbeitgeber der WDR Big Band, nicht aber als Produktionsstätte, die meine Musik repräsentiert. Aber es gibt einen Draht dorthin, auch über die Jazzkonferenz. Der WDR lässt sich von niemanden hineinreden, aber ich würde mir wünschen, dass er stärker unsere Konzerte produziert und mitschneidet, also mehr Sendezeit für uns „opfert“. 

Ist das denn realistisch?

Wichtig wäre vor allem, dass nicht nur der WDR, sondern alle in der Stadt, die an kulturellen Prozessen und Entscheidungen beteiligt sind, stärker wahrnehmen, was durch unsere Musik in der Stadt geschieht. Dass sie in unsere Konzerte kommen, mit uns reden, sich die Veranstaltungsorte, auch die kleinen Clubs intensiver anschauen. Nur so kann größeres Verständnis aufgebaut werden, können Gemeinsamkeiten entstehen. Letztlich liegt es ja nicht immer nur am Geld, sondern auch an der grundlegenden Bereitschaft zu neuen Formen und Konzepten. So könnte die Stadt neben der Unterstützung der Spielstätten und der Projektförderung einen dritten Aspekt wahrnehmen: den der notwendigen Internationalisierung. Durch ein entsprechendes Festivalformat könnten wir viel schaffen. Wenn man alle Musikerinnen und Musiker, Kollektive und Initiativen zur Grundlage nimmt, all ihre Stärken bündelt und das dann einmal im Jahr abfeuert! Und das zu einem strategisch geschickten Zeitpunkt, der die Bürgerschaft mitnimmt und die Politik stolz sagen lässt, schaut her, das haben wir in Köln.

 

Das Gespräch mit Janning Trumann führte Horst Peter Koll.

Horst Peter Koll schreibt seit vielen Jahren über Film und Kino, war Chefredakteur zweier Filmmagazine und engagiert sich vor allem auch für den Kinder- und Jugendfilm, aktuell als Kurator beim Online-Portal filmfriend.de. Dem Jazz folgt er inzwischen seit einem halben Jahrhundert, veranstaltete mitunter selbst Konzerte und schreibt gerne über junge wie alte, renommierte wie neue Musikerinnen und Musiker, vorrangig im "Kölner Stadt-Anzeiger".